Die nachfolgenden Fragen wurden vom Verein Kultur und Natur Drüpplingsen gestellt:
1. Wald
Der Iserlohner Wald ist Aushängeschild und Identifikation der Stadt. Jedoch befinden wir uns in Zeiten eines massiven Waldsterbens. Trockenheit und Klimawandel sind laut Experten Grund Nr. 1 für diese Entwicklung. Wie wollen Sie diesem Umstand ausreichend begegnen?
Selbst Forstwissenschaftler*innen sind sich derzeit nicht einig hinsichtlich des besten Weges, mit dem von Trockenheit und Borkenkäfer geschwächten Waldes umzugehen. Dem klassischen Weg, Käferholz herauszuholen und zügig aufzuforsten, stellen andere den natürlichen Weg entgegen, das Altholz im Wald zu belassen und auf natürliche Verjüngung zu setzen. In dieser auch wissenschaftlich unsicheren Situation sollten wir experimentieren: In abgelegeneren Bereichen nach und Nach Wald zum Naturwald werden lassen und in anderen Gebieten verschiedene gemischte Aufforstung betreiben. Dieser Teil des Stadtwalds soll nach FSC zertifiziert bewirtschaftet werden.
Vom gewohnten Bild unserer bewaldeten Hügel müssen wir uns für einige Jahre verabschieden müssen, wir pflanzen heute für unsere Kinder und Enkelkinder.
2. Landwirtschaft, Handel, Ernährung & Gesundheit
Welche konkreten Maßnahmen würden Sie fördern um Klima- und Artenschutz, sowie Versorgung der Bürger mit gesunden Lebensmitteln in Zukunft sicher zu stellen?
Der notwendige Wandlungsprozess der Landwirtschaft muss lokal begleitet werden im Gespräch zwischen Landwirt*innen, Politik und Verwaltung. Bürger*innen müssen unkomplizierte Möglichkeiten zur Versorgung mit regionalen und ökologischen Produkten bekommen. Daher sollte im Rahmen der Überplanung des Schillerplatz-Areals in Absprache mit den Marktbeschicker*innen eine Markthalle geprüft werden, in der regionale und ökologische Produkte angeboten werden.
3. Mobilität
Beschreiben Sie ein zukunftsfähiges Verhältnis von Bahn/ÖPNV, Fahrrad und Auto.
Im Kampf gegen die Klimakrise muss jeder Bereich seinen Beitrag leisten. Der Verkehrssektor ist jedoch der einzige Bereich, in dem seit 1990 keine Reduzierung des C02-Ausstoßes gelungen ist. Mit der nötigen Verkehrswende reduzieren wir den CO2-Ausstoß und erhöhen gleichzeitig die Lebensqualität („Städte für Menschen“, Jan Gehl) genauso wie die Verkehrssicherheit („Vision Zero“) in Iserlohn. Für uns GRÜNE stehen im Zentrum der Mobilitätsplanung die Nahmobilität aus Fuß- und Radverkehr und der Öffentliche Personennahverkehr aus Bus und Bahn.
In der Innenstadt und in den Stadtteilen ist das Zufußgehen die Basis der Mobilität und benötigt barrierefreie, sichere und unbeparkte Gehwege. Wir werden dazu ein Fußverkehrskonzept auflegen.
Immer mehr Iserlohner*innen legen immer mehr Wege mit dem Fahrrad zurück, hierzu hat insbesondere die Möglichkeit elektrischer Unterstützung beigetragen. Der Ausbau der Iserlohner Radwege hat allerdings nicht mitgehalten. Wir GRÜNE stehen für komfortables, sicheres und zügiges Radfahren für alle Altersgruppen: Radwege müssen sich daran messen lassen, ob sie auch für unsichere Radfahrende geeignet sind und Eltern ihre Kinder dort unbesorgt fahren lassen können. Wir werden das vorhandene Radverkehrskonzept erheblich schneller umsetzen, die angestrebten 10 € pro Einwohner*in und Jahr wollen wir steigern auf 30 €. Als drängendste Herausforderung im Radwegebau werden wir die Erreichbarkeit der Innenstadt in Angriff nehmen und mit weiteren kurz- und langfristigen Maßnahmen den Radverkehr deutlich vermehren und verbessern.
Wir werden den Öffentlichen Personennahverkehr mit Bus und Bahn ausbauen. Durch eine neue Ringbuslinie werden Stadtteile, Schulen und Naherholungsgebiet Seilersee besser vernetzt. Als Einstieg in einen perspektivisch gänzlich fahrscheinfreien Nahverkehr wollen wir ein kostenloses Schüler*innen-Ticket einführen. Wegen der besonderen Problematik der Verbundgrenze wollen wir die Iserlohner Bahnlinien in den VRR integrieren. Mit Fahrradparkhäusern und Park+Ride-Plätzen erreichen wir eine bessere Verknüpfung der Verkehrsmittel Bahn, Bus, Auto und Fahrrad. Für die Wochenend-Nächte soll das bewährte Anruf-Sammel-Taxi erhalten bleiben.
Elektromobilität werden wir weiter fördern durch Öffentliche Ladesäulen für PKW und Pedelecs sowie ein Förderprogramm elektrisch unterstützter Lastenräder. Wir treten ein für die Elektrifizierung der Bahnstrecke RB 53.
Wir wollen die Erreichbarkeit und die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt verbessern, indem wir Zufahrtsstraßen und den Innenstadtring fahrradfreundlich umgestalten, den Autoverkehr vom Marktplatz weitgehend fernhalten und das verbleibende Autoparken weitgehend in Parkhäuser verlagern. So wird Platz frei für Aufenthalt, Zufußgehende und Radfahren.
4. Flächenverbrauch
Welche Chancen sehen Sie, weiterem Flächenverbrauch in Iserlohn entgegenzuwirken?
Alte innerstädtische Industrieflächen, die nicht mehr genutzt werden, sollten einer gemischten gewerblichen und Wohnnutzung zugeführt werden. Hier bietet sich die Möglichkeit, kleineren Gewerbetreibenden und Dienstleistern interessante Flächen zur Verfügung zu stellen. Gewerbeflächen für größere Unternehmen sollten in interkommunaler Zusammenarbeit mit Menden und Hemer bereitgestellt werden.
5. Klimaschutz & Klimagerechtigkeit
a.) Für welche weitreichenden Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimagerechtigkeit würden Sie sich stark machen?
b.) Muss man, da die Klimakrise zu erheblichen Umbrüchen (voraussichtlich zu noch weit tiefgreifenderen als die derzeitige Corona Krise) führen wird, die Diskussion um den Klimanotstand in Iserlohn nicht nochmals neu bewerten?
Viele Kommunen in Deutschland haben sich, wie auch Iserlohn, dem Klimaschutz verschrieben. Zumindest sagen sie das von sich selbst. Einige Kommunen haben sogar den Klimanotstand ausgerufen und fast alle beschäftigen mittlerweile eine
Klimaschutzbeauftragte oder einen Klimaschutzbeauftragten. In der Realität zeigt sich aber, dass Klimaschutz oft dort aufhört, wo es um umwelt- und klimaschonendes konkretes Handeln geht. So werden weiterhin Gewerbegebiete erweitert oder gesucht, obwohl die Menge der versiegelten Flächen aus ökologischer Sicht das verantwortbare Maß längst überschritten hat bzw. es dem Landschafts- oder Naturschutz eigentlich entgegensteht. Auch werden immer noch neue Baugebiete ausgewiesen, bei denen durch die Stadt Iserlohn keine klaren Vorgaben zum Bauen von klimaschonenden Gebäuden gemacht werden. Fassaden und Dachbegrünungen und klimaneutrales Heizen sind in Neubauten weiterhin selten. Wohingegen Steingärten immer noch angelegt, Klimaanlagen eingebaut und das Vorhalten von PKW-Stellplätzen auch ohne Lademöglichkeit für E-Autos weiterhin verpflichtend sind. Dort, wo noch neue Gebäude errichtet werden sollen, wollen wir, insofern dies rechtlich möglich ist, sicherstellen, dass diese vor allem klimaschonende Gebäude sein werden. Konkret heißt das, dass sie nicht mit fossilen Energieträgern geheizt werden müssen, keine Klimaanlage benötigen, statt PKW-Stellplätze auch Radstellplätze vorgehalten werden können und Steingärten nicht zulässig sind. Auf Gewerbegebäuden sollen Photovoltaikanlagen zum Eigenverbrauch sowie Dachbegrünungen vorgeschrieben werden.
Die Stadt Iserlohn kann hier mit gutem Beispiel vorangehen: Alle kommunalen Bestandsgebäude sollen nach und nach konsequent so saniert werden, dass sie anschließend möglichst keine oder sehr wenige fossile Energien verbrauchen. Städtische Neubauten sollen mit Dach- oder Fassadenbegrünungen sowie mit Photovoltaikanlagen und, wenn möglich, aus Holz gebaut werden. So können wir uns z.B. vorstellen, dass im Falle eines Rathausneubaus dies nach den modernsten ökologischen Kriterien ebenfalls aus Holz errichtet werden könnte. Des Weiteren möchten wir durch die Aufstellung von Elektro- Ladepunkten für Fahrräder und PKW auf städtischen Grundstücken, die sehr niedrige Anzahl öffentlicher Ladepunkte in Iserlohn (bisher 9 für PKW, davon 1 mit Schnelllademöglichkeit) drastisch erhöhen. Wir wollen uns außerdem dafür einsetzen, dass auch das Beschaffungsmanagement Iserlohns und aller seiner Gesellschaften dort, wo es rechtlich und technisch möglich ist, konsequent ökologisch ausgerichtet wird.
6. Impulse aus Bürgerschaft / Teilhabe
Unsere Initiative KuN Drüpplingsen brachte über die vergangenen Jahre immer wieder Ideen zur Bewältigung der Klimakrise in den öffentlichen und politischen Diskurs ein. Würden Sie als Bürgermeister(in) Impulse wie Zukunftslabor, Essbare Stadt und Gemeinwohl Ökonomie aufnehmen und mit Bürgern und entsprechenden Gruppen diskutieren und bearbeiten?
Ja.
Die KuN-Initiative hat äußerst interessante Ansätze in die öffentliche Debatte eingebracht. Gleichwohl muss man konstatieren, dass sich auf solchen Veranstaltungen vorrangig immer dieselben Leute aus kleinen Kreisen treffen. Nötig aber ist es, solche Überlegungen gerade auch in die gesamtgesellschaftliche Debatte zu befördern.
Als Lehrer für Sozialwissenschaftler setze ich mich schon vom Beruf her ständig interessiert mit herkömmlichen und alternativen wirtschaftspolitischen Ansätzen auseinander, dies wird sich nicht ändern. Einen Bürgermeister Isbruch zu überzeugen dürfte leicht fallen – die wichtigen grundsätzlichen inhaltlichen Entscheidungen jedoch fällt der Rat, wofür breitere öffentliche und politische Kreise gewonnen werden müssen.
7. Wirtschaft & Demokratie
Sind die derzeitigen Wachstumsprinzipien in der globalisierten Welt noch angemessen für die Zukunft um „das gute Leben“ in einer gerechten und demokratischen Gesellschaft zu gestalten? Was bedeutet dies für Iserlohn? Was müssten wir ändern? Wofür müssten wir werben?
Wachstumskritik ist nicht neu: Spätestens Anfang der 1970er-Jahre mit Veröffentlichung der „Grenzen des Wachstums“ vom Club of Rome musste klar sein: Unendliches Wachstum ist nicht möglich bzw. hat ernsthafte Konsequenzen. Trotz enormer Effizienzgewinne seitdem ist der Ressourcenverbrauch und der CO2-Ausstoss weiter angestiegen – nicht nur aufgrund der stärkeren Enwicklung der Entwicklungs- und Schwellenländer.
Für die nötige CO2-Reduktion ist weder in der wissenschaftlichen, noch in der öffentlichen Debatte geklärt, welchen Anteil technologischer Fortschritt leisten kann und welcher Anteil Selbstbeschränkung der Menschheit haben muss. Meine Lebenserfahrung sagt mir: Meist liegt die Wahrheit in der Mitte – beides wird zu verfolgen sein. Wichtig ist, dass formale Effizienzgewinne nicht zu Rebound-Effekten führen (Negativbeispiel: wenn effizientere Verbrennungsmotoren vorrangig zu größer dimensionierten und motorisierten KFZ führen).
Die nötige wissenschaftliche und gesamtgesellschaftliche Diskussion ist nicht auf Iserlohn begrenzt – aber Iserlohn ist eben auch nicht unabhängig davon und muss sich in seinem Handeln den Herausforderungen stellen.